Joseph von Eichendorff – Lieder
Abschied vom Walde
O Täler weit, o Höhen,
O schöner grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt’ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saus’t die geschäft’ge Welt,
Schlag’ noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!
Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!
Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort,
Vom rechten Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte, schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Ward’s unaussprechlich klar.
Bald werd’ ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde geh’n,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernst’s Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.
Nachtwanderer
Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,
Er reitet vorüber an manchem Schloß:
Schlaf‘ droben, mein Kind, bis der Tag erscheint,
Die nstre Nacht ist des Menschen Feind!
Er reitet vorüber an einem Teich,
Da stehet ein schönes Mädchen bleich
Und singt, ihr Hemdlein attert im Wind:
Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind!
Er reitet vorüber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß,
Taucht wieder unter dann mit Gesaus,
Und stille wird’s über dem kühlen Haus.
Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Hähne krähen in Dörfern weit,
Da schauert sein Roß und wühlet hinab,
Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.
Der Einsiedler
Komm‘ Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt über’s Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt;
Laß‘ ausruhn mich von Lust und Not,
Bis daß das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.
Wünschelrute
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Waldesgespräch
Es ist schon spät, es ist schon kalt,
Was reit’st du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, Du bist allein,
Du schöne Braut! ich führ’ dich heim!
„Groß ist der Männer Trug und List,
Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
Wohl irrt das Waldhorn her und hin,
O ieh‘, du weißt nicht wer ich bin.“
So reich geschmückt ist Roß und Weib,
So wunderschön der junge Leib,
Jetzt kenn’ ich dich – Gott steht mir bei!
Du bist die Hexe Lorelay.
„Du kennst mich wohl – von hohem Stein,
Schaut still mein Schloß tief in den Rhein;
Es ist schon spät, es ist schon kalt,
Kommst nimmermehr aus diesem Wald!“
Der Gärtner
Wohin ich geh‘ und schaue,
In Feld und Wald und Tal,
Vom Berg hinab in die Aue:
Viel schöne, hohe Fraue,
Grüß‘ ich dich tausendmal.
In meinem Garten nd‘ ich
Viel Blumen, schön und fein,
Viel Kränze wohl d’raus wind‘ ich
Und tausend Gedanken bind‘ ich
Und Grüße mit darein.
Ihr darf ich keinen reichen,
Sie ist zu hoch und schön,
Die müssen alle verbleichen,
Die Liebe nur ohne Gleichen
Bleibt ewig im Herzen stehn.
Ich schein‘ wohl froher Dinge
Und schaffe auf und ab,
Und, ob das Herz zerspringe,
Ich grabe fort und singe
Und grab‘ mir bald mein Grab.
Der Soldat II
Wagen mußt du und tüchtig erbeuten,
Hinter uns schon durch die Nacht hör‘ ich’s schreiten,
Schwing‘ auf mein Roß dich nur schnell
Und küß‘ noch im Flug mich, wildschönes Kind,
Geschwind,
Denn der Tod ist ein rascher Gesell.
Der wandernde Musikant
Durch Feld und Buchenhallen
Bald singend, bald fröhlich still,
Recht lustig sei vor Allen,
Wer’s Reisen wählen will!
Wenn’s kaum im Osten glühte,
Die Welt noch still und weit:
Da weht recht durchs Gemüte
Die schöne Blütenzeit!
Die Lerch’ als Morgenbote
Sich in die Lüfte schwingt,
Eine frische Reise-Note
Durch Wald und Herz erklingt.
O Lust, vom Berg zu schauen
Weit über Wald und Strom,
Hoch über sich den blauen
Tiefklaren Himmelsdom!
Vom Berge Vöglein iegen
Und Wolken so geschwind,
Gedanken über iegen
Die Vögel und den Wind.
Die Wolken zieh’n hernieder,
Das Vöglein senkt sich gleich,
Gedanken geh’n und Lieder
Fort bis in’s Himmelreich.